Wir erklären ein paar wichtige Grundlagen mit Beispielen, bevor wir an das eigentliche Thema „die freien sozialen Netzwerke“ herangehen. Dazu gehört, dass wir ein gemeinsames Verständnis und Bild haben wovon wir sprechen.
Eine schöne Auflistung einiger freier dezentraler sozialer Netzwerke findet ihr bei https://fediverse.party/ . Allerdings sind die dort aufgeführten Anzahl der jeweiligen Server viel zu niedrig.
Weitere Notizen, die wir uns im Vorfeld zur Sendung gemacht haben
Was sind Soziale Netzwerke
- Eine Plattform im Internet, auf der Menschen miteinander in Kontakt treten und sich austauschen können.
- Das können Familie, Freunde oder Menschen mit gleichen Interessen sein.
- Bekannte Beispiele sind Facebook, Twitter, Instagram, oder Messenger wie Whatsapp, Threema, Signal oder Snapchat
OpenSource – Medienkompetenz
- OpenSource bedeutet nur, dass man sich den Quellcode ansehen kann
- OpenSource bedeutet nicht automatisch mehr Sicherheit
- OpenSource bedeutet nicht automatisch „kostenlos“
- OpenSource ist aber der richtige Schritt in die Zukunft
Dezentral versus zentral
- Um das Konzept zentral und dezentral zu verstehen muss man es aus einer bestimmten Perspektive betrachten. Es geht dabei nicht in erster Linie darum, dass es mehrere Computer gibt, die den Dienst anbieten, sondern dass es unterschiedliche Anbieter gibt.
- Besser verständlich wird es vielleicht mit diesem Supermarkt Beispiel:
- Zentral: In einer Stadt gibt es 5 Supermärkte. Diese werden von z.B. von einer Firma namens „Horst“ betrieben. Weil nur einer entscheidet, was in die Supermärkte kommt, ist das ein zentrales Konzept.
- Dezentral: Die 5 Supermärkte werden von 5 verschiedenen Firmen betrieben. Die 5 verschiedenen Firmen entscheiden unabhängig voneinander, was in ihre Regale kommt.
- Was ist da jetzt der Vorteil oder Nachteil?
- Wenn zum Beispiel wie im ersten Fall „Horst“ entscheidet, den Standort aufzugeben. Dann sind auf einen Schlag alle 5 Supermärkte weg. Im zweiten Fall gibt es immer noch 4 weitere Supermärkte, weil die anderen Firmen unabhängig von dieser Entscheidung sind.
- Weiteres Beispiel: Wenn es einen Gammelfleischskandal gibt, sind im ersten Fall mit nur einer Firma alle 5 Supermärkte betroffen, während im zweiten Fall die Chance hoch ist, dass die anderen nicht, oder wenigstens nicht alle betroffen sind.
- Ein Beispiel, das näher am Computer ist: Email-Anbieter
- Dezentral: Es gibt eine riesige Anzahl von Emailanbietern, wie Gmail, GMX, Web.de, Posteo, Protonmail, Hotmail, Apple und wie sie alle heissen. Man kann sich einen Anbieter aussuchen, dort ein Konto erstellen und hat dann die Möglichkeit mit allen anderen Menschen, die man kennt Emails auszutauschen. Egal, bei welchem Anbieter diese sind.
- Zentral: Das wäre ein Szenario, wo es nur einen einzigen Emailanbieter auf der ganzen Welt gäbe. Und ich muss bei diesem Anbieter registriert sein, um mit anderen Menschen in Kontakt treten zu können.
- Das ist jetzt genau der springende Punkt.dezentral heisst dass man sich einen Anbieter seiner Wahl auswählen kann, den man möchte und man kann immer noch mit den anderen Menschen bei anderen Anbietern in Kontakt treten, ohne bei deren Anbieter angemeldet zu sein zu müssen.
- Das ist bei den bekannten sozialen Netzwerken leider nicht der Fall. Ich muss bei Facebook angemeldet sein, damit ich mit Menschen dort in Kontakt bleiben kann. Auch wenn Facebook vielleicht ganz viele Computer quer über die ganze Welt verteilt hat ist es nur ein Anbieter (zentral)
- Wenn Facebook irgendwann mal entscheiden sollte, dass sie mich nicht mehr in ihrem Netz haben wollen, verliere ich auf einen Schlag alle meine Kontakte und Kommunikationsmöglichkeiten.
- Oder Facebook entscheidet, dass meine Beiträge oder Artikel unterdrückt werden. Weil ich vielleicht systemkritische Äußerungen mache (politisch oder technologisch). Das merkt man unter Umständen gar nicht, bis es vielleicht mal zufälligerweise zur Sprache kommt. „Du schreibst ja schon lange nichts mehr“.
- Dieses Nachrichten „unterdrücken“ ist leider schon Alltag und wird meist „Shaddowban“ genannt.
Und da gibt es noch diese Protokolle
Wie bei jeder Kommunikation muss man eine gemeinsame Verständigungsform haben, damit das auch klappt. Im Normalen Leben haben wir die Sprache. Oder verschiedene Sprachen. Bei den Netzwerken sind es die Protokolle und weitere technologische Regularien, die ein Kommunikationsaustausch möglich machen.
Das kann man sich ein bisschen wie im Europäischen Parlament in Brüssel vorstellen. Dort gibt es Arbeits- und Amtssprachen. Ich vereinfache das hier und behaupte es gäbe nur die Arbeitssprachen Englisch, Französisch und Deutsch. Das sind quasi die Protokolle, womit sich die Mitgliedsstaaten verständigen können.
Solche Arbeitssprachen bzw Protokolle gibt es auch bei den Netzwerken im Allgemeinen. Und bei den freien dezentralen sozialen Netzwerken gibt es folgende Haupt-Protokolle:
- ActivityPub oder auch AP genannt
- DFRN2 – Distributed Friends & Relation Network
- Zot/Zot2 – 1. The communication protocol used by Hubzilla. 2. A sound effect. Popularized by the Usenet Oracle, a humorous Internet advice service, wher the word was used as an irritated dismissal of a question. 3. Pinkys yell from „Pinky and Brain“ .
- und lustig klingende Unterprotokolle wie
Es gibt noch wesentlich mehr Protokolle, die weitere Funktionen ermöglichen, aber die genannten sind die wichtigen Merkmale, die man am Anfang in Verbindung mit den freien dezentralen sozialen Netzwerken wissen sollte.
Was sind denn jetzt diese “freien dezentralen sozialen Netzwerke”?
- Wir haben geklärt was soziale Netzwerke sind, nämlich Plattformen im Internet wo Menschen sich austauschen und miteinander in Kontakt treten können.
- Wir wissen jetzt den Unterschied zwischen zentral und dezentral. Nämlich dass dezentral die Vielfalt der Anbieter aufzeigt, bei denen sich die Kunden der jeweiligen Anbieter untereinander in Kontakt stehen können. Beispiel Email für ein sehr rudimentäres soziales Netzwerk.
- Also, was ist nun dieses „freie“ dezentrale Netzwerk?
- Folgende Punkte machen das „frei“ dieser Netzwerke aus
- Sie werden öffentlich einsehbar und überprüfbar entwickelt, wie das berühmte Linux
- Sie benutzen Protokolle, die ebenfalls veröffentlicht und frei benutzbar sind
- Jeder kann dabei mitwirken
- Jeder mit Computer Sachverstand kann sich die Software runterladen und selbst einen sogenannten Knoten oder auch Instanz genannt installieren und so an dem weltweiten Netz teilnehmen.
Wer macht das? Vertrauen oder nicht?
Diese Frage sollte man sich immer stellen. Lustigerweise bekomme ich diese Frage immer nur gestellt, wenn es um soziale Netzwerke geht, die von Privatpersonen betrieben werden. Bei den bekannten Netzwerken, die nachgewiesenermaßen kontinuierlich nicht vertrauenswürdig sind, stellt keiner diese Frage, oder zieht Konsequenzen. Das ist eine sehr paradoxe Situation, die meines Erachtens nur eines zeigt, nämlich dass wir schon so eingelullt sind, dass wir betrogen werden wollen. Oder?
Sprache
- Twitterm, qvittern, tooten, liken
- Pod, Instanz, Server, Knoten
- Timelines, Stream, Pinnwand
Es gibt einge Netzwerke, die eigene Begriffe für ihr Netzwerk haben. Ich persönlich halte das zwar für lustig, aber eher hinterlich, weil Neulinge dann erstmal die Sprache lernen müssen, bevor sie ein Medium benutzen können, dass sie intuitiv genauso und einfacher benutzen können. Nichts spricht gegen einen Beitrag schreiben, einen Beitrag teilen, Gefällt mir zu anzuklicken, oder einen Beitrag zu kommentieren. So eine Sprache versteht jeder.
Der Betreiber hat je nach Netzwerk einen Pod, eine Instanz, einen Server oder einen Knoten.Mir persönlich gefällt Knoten immer noch am besten, denn ein Netz besteht aus vielen Knotenpunkten, die mit anderen Knotenpunkten verbunden sind.
Projekte
Verglichen mit Facebook und Twitter, was die meisten schon kennen, kann man diese Projekte wie folgt einteilen
Vergleichbar mit Facebook
- GangGo https://ganggo.github.io/
Vergleichbar mit Twitter
- GNUSocial / QVitter https://gnu.io/social/try/ & https://gnu.io/social/
- Pleroma/PleromaFE https://pleroma.social/
Quelle: https://github.com/hoergen/besser-der-podcast/blob/master/fediverse/Protocol_fedivers_federation.ods
Die Farben zeigen lediglich an, ob ein Projekt in der Lage ist mit allen (GRÜN viele Protkolle, wie OStatus, ActivityPub, DFRN, ZOT, Diaspora und GELB nur das diaspora Protokoll), oder nur mit einem Teil der anderen Projekte zu kommunizieren. Die Schattierungen sind zur besseren Orientierung in den Zeilen da.
Grün = kann mit allen Projekten kommunizieren
Gelb = kann nur mit einem Teil der Projekte kommunizieren
Rot = keine Kommunikation zwischen diesen Netzwerken möglich
Quellen
- The Federation Info https://the-federation.info/
- fediverse.network https://fediverse.network/
- Fediverse Instances https://instances.social/
- Protocol logos https://github.com/friendica/friendica/issues/4492
- Fediverse.party wiki https://fediverse.party/
- Kumiko https://kumu.io/wakest/fediverse
Gustav Wall
Ein hilfreicher Artikel und Audiobeitrag. Ich rege an, den Artikel mit einem Veröffentlichungsdatum zu versehen. Ich persönlich gewichte die Artikelinhalte auch abhängig davon, wann die Inhalte publiziert wurden.
micha
Guter Einwand. Ich werde schauen, dass ich das Datum bei den Artikeln sichtbar machen kann.